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Rede zur Aktuellen Stunde der Grünen „Hochschullandschaft stärken – Kürzungen verhindern“

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Rede zur Aktuellen Stunde der Grünen „Hochschullandschaft stärken – Kürzungen verhindern“
Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: „Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Innovation sind Investitionen in die Zukunft und bleiben zentrale Bausteine für die künftige Entwicklung des Landes.
Herr Präsident, meine Damen und Herren,

zunächst freue ich mich, dass wir den Präsidenten der Brandenburgischen Landesrektorenkonferenz, Herrn Prof. Vielhaber, hier als Gast bei uns haben – herzlich willkommen.

Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: „Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Innovation sind Investitionen in die Zukunft und bleiben zentrale Bausteine für die künftige Entwicklung des Landes. Außerdem ist die Nähe zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine wichtige Grundlage für Investitionsentscheidungenvon Unternehmen. Deshalb wird die Koalition Hochschulen und Forschung weiter stärken.“ Dieser Absatz aus dem Koalitionsvertrag von SPD und LINKE ist – trotz aller Unkenrufe aus der Opposition – kein Lippenbekenntnis. Diese Koalition steht zu der Priorität Wissenschaft und sie wird alles unternehmen, damit Brandenburg ein stärkeres und besseres Wissenschafts- und Forschungsland wird.

Unser Land ist mit 9 staatlichen und 3 privaten Hochschulen sowie über 20 Instituten aller großen Forschungsgemeinschaften ein ausgeprägtes Innovationsland. Aufbauend auf den bestehenden Wissenschaftseinrichtungenist es in den Jahren seit der Gründung unseres Landes gelungen, in einer für ein Flächenland beeindruckenden Manier eine Infrastruktur des Wissens und des Forschens zu errichten. Das Land Brandenburg hat mit diesen Einrichtungen einen Schatz, den es zu Bewahren und den es zu stärken gilt. SPD und LINKE sind sich sehr wohl der Bedeutung dieses Wissenschafts-Schatzes bewusst und daher ist es unlauter, liebe Kollegen der Grünen, der Koalition vorzuwerfen, wir würden das sehenden Auges zerstören. Schauen Sie, Frau von Halem, lieber ins Saarland, da wird wirklich etwas zerstört.

Ich finde es dennoch berechtigt und wichtig darüber zu reden, wie wir die Hochschullandschaft stärken können. Jede/r von uns hat in der Abgeordneten-Tätigkeit viel mit wirtschaftlichen oder sozialen Belangen zu tun, kennt die Straßen der Region, die Schulen und Kitas, weiß um die Landwirtschaft oder die Gesundheitsversorgung. Die Hochschulen rücken im alltäglichen Arbeiten – die Fachpolitiker mal ausgenommen – nur selten ins Blickfeld, aber wie überall so gilt auch für die Wissenschaft: Klappern gehört zum Handwerk. Und so will ich diese Aktuelle Stunde auch dafür nutzen, für das Wissenschaftsland Brandenburg zu werben und gleichzeitig auf bestehende Probleme aufmerksam machen.

Wenn wir uns nur die 9 staatlichen Hochschulen ansehen – die drei Universitäten, die Kunsthochschule und die 5 Fachhochschulen – so tragen sie zu einer enormen Entwicklung in unserem Land bei und das nicht nur bildungspolitisch. Sie sind Wirtschaftsfaktoren, sie sind Entwicklungsanker im ländlichen Raum, sie sind Ideenmotoren, sie sind Ausbildungs- und Bildungsstätten, sie helfen mit, den Fachkräftemangel zu beheben, sie unterstützen uns bei der Bewältigung der demografischen Entwicklung, sie sind Arbeitsstätte, sie sind Werbeträger für unser Land. Das alles tun unsere Hochschulen seit vielen Jahren, sie tun es ohne großes Aufsehen und sie tun es sehr gut.

Welche Leistung das konkret bedeutet, kann ich nur an einigen Zahlen deutlich machen. Noch vor 10 Jahren gab es in Brandenburg 34.000 Studierende – damit waren die Hochschulen im Prinzip ausgelastet. Heute studieren aber rund 51.000 junge Menschen an unseren Hochschulen. Das ist eine Steigerung von fast 50%! Um das einordnen zu können – es gab gleichzeitig in den letzten 10 Jahren leider keinen adäquaten Zuwachs an Personalstellen oder finanziellen Zuweisungen durch das Land. Im selben Zeitraum steigerte sich die Zahl der Erstsemestler von etwa 7.500 auf 10.000. Unsere Hochschulen sind attraktiv, sie werden aus dem ganzen Bundesgebiet angewählt.

Mittlerweile studieren über 7.000 junge Menschen aus den alten Bundesländern bei uns und dennoch sind unsere Hochschulen Berlin- Brandenburger Einrichtungen. 2/3 der Studierenden kommen aus unserer Region, an den Fachhochschulen ist diese Quote oft noch größer. Und obwohl wir in den letzten Jahren die Zahl derer, die sich nach der Schule für ein Studium entscheiden, steigern konnten, obwohl wir mehr Studienanfängerinnen und -anfänger gewinnen konnten – dennoch hat unser Land ein negatives Abwanderungssaldo bei den Studierenden. Wir geben 12.000 Landeskinder mehr zum Studium außerhalb Brandenburgs ab als das andere zu uns kommen. Das sollte uns zu denken geben. Und eine letzte Statistik: in den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der Absolventinnen und Absolventen an unseren Hochschulen von 3.000 auf über 7.000 mehr als verdoppelt.

Wie leistungsfähig unsere Hochschullandschaft wirklich ist, zeigt sich, wenn man die genannten Zahlen ins Verhältnis zu dem enormen Umbauprozess setzt, der mit den Reformen von Bologna eingeleitet wurde. Das war nicht mehr und nicht weniger als eine umfassende Neustrukturierung des Studiums und das wurde von den Hochschulen im Großen und Ganzen geräuscharm absolviert – auch wenn es immer noch berechtigte Kritik an Bachelor und Master und Probleme gibt. Aber Bologna war nicht der einzige Prozess, den die Hochschulen in den letzten Jahren erfolgreich durchlaufen haben. 6 unserer 9 Hochschulen haben das Zertifikat Familienfreundliche Hochschule, diese Herausforderung der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Frauenförderung wird uns auch in den kommenden Jahren noch beschäftigen.

Die Profilbildung der einzelnen Hochschulen war und ist eine weitere wichtige Aufgabe. Auch hier gibt es herausragende Beispiele wie die bundesweit einzigartige Verknüpfung der Themen Forst, Holzwirtschaft, Naturschutz und Ökolandbau an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde oder die bundesweit einmalige Verbindung von Umwelt- und Energieforschung an der BTU in Cottbus. Ebenfalls bundesweit einmalig ist die deutsch-polnische Juristenausbildung an der Viadrina in Frankfurt (Oder).

Dass unsere Hochschulen erfolgreiche Lehreinrichtungen sind, spiegelt sich u.a. auch in den zahlreichen Auszeichnungen wider. Die FHP und die UP sind Preisträger für Exzellente Lehre der Kultusministerkonferenz. Die UP war mit ihren Kognitionswissenschaften erfolgreich in der 1. Exzellenzinitiative der Bundesregierung und die Viadrina wird es hoffentlich in der 2. Runde.

Zu guten Hochschulen gehört es aber auch, die Erkenntnisse der Forschung in die Praxis umzusetzen. Alle Hochschulen haben z.B. eine sogenannte Technologie-Transferstelle, die junge Wissenschaftler dabei unterstützt, ihre Innovationen zu vermarkten. Das Land unterstützt diese Transferstellen mit insgesamt über 800.000 Euro im Jahr und das ist bestens angelegtes Geld, was die Zahlen der Ausgründungen von kleinen Unternehmen beweist. Unsere Hochschulen haben im Jahr 2010 92 Mio. Euro an Drittmitteln für die Forschung eingeworben, das sind dreimal soviel wie noch 10 Jahre davor. Unsere Fachhochschulen sind bundesweit mit die forschungsstärksten Fachhochschulen und sind regelmäßig Spitze bei der Drittmittel-Einwerbung. Wie immer stärker verzahnt auch regionale Wirtschaft und Hochschulen sind, zeigt der Vergleich von Drittmitteln aus der Brandenburger Wirtschaft: noch im Jahr 2000 weniger als 100.000 Euro, im letzten Jahr 7 Mio. Euro.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

dieser Katalog von Leistungen unserer Hochschulen zeigt, dass wir eine starke, vitale Wissenschaftslandschaft in Brandenburg haben. Es zeigt, dass wir unsere Hochschulen dringend brauchen und zwar auch in Zukunft nicht als abgespeckte Light-Hochschulen, sondern kraftvoll und gut ausgestattet. Und hier sind wir in der Tat bei einem Problem. Die Steigerung der Studierendenzahlen habe ich am Anfang erwähnt. Die Finanzierung der Hochschulen hat damit aber nicht Schritt gehalten. Wir haben in der Tat unterfinanzierte Hochschulen und das nicht erst seit Rot-Rot. Selbst mit den zusätzlichen Mitteln des Bundes, der Drittmittel und der Überlastmittel des Landes bewältigen die Hochschulen derzeit eine Überkapazität, die nicht auf Dauer getragen werden kann.

Unter den aktuellen Studienbedingungen leiden nicht nur die Lehrqualität, sondern auch die Beschäftigten, die Studierenden, die Forschung. Es ist unsere Aufgabe, das möglichst zu verhindern. Und doch kennen wir alle die Entwicklung des Landeshaushaltes in den nächsten Jahren. An einer Konsolidierung führt kein Weg vorbei und auch die Hochschulen werden ihren Beitrag dabei leisten bzw. haben ihn geleistet.

Aber wir – das Land, die Landesregierung, das Parlament – werden perspektivisch die Frage beantworten müssen, was für ein Hochschulland wir sein wollen. Wollen wir eines mit der jetzigen finanziellen Ausstattung? Dann heißt das eher klein, aber fein – mit deutlich weniger Studierenden, mit mehr Problemen bei der Bewältigung des Fachkräftemangels, mit noch mehr jungen Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die mangels Studienplätzen unser Land verlassen müssen. Oder wollen wir ein Land der Innovationen sein, ein Land der Wissenschaft, ein Land der Forschung. Dann müssen wir überlegen, wie wir die zur Verfügung stehenden Mittel noch effektiver einsetzen oder – trotz eines schrumpfenden Haushaltes – mehr Geld in die Hand nehmen. Das kann dann aber sicher nur zu Lasten anderer Bereiche gehen. Mir fällt eine Entscheidung in dieser Frage nicht schwer, ich möchte ein Brandenburg der Innovationen. Aber das müssen wir alle wollen. Dafür möchte ich werben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ein Hochschul- und Wissenschaftsland kann man aber auch stärken abseits von Haushaltspolitik. Auch hierzu will ich aus Sicht der LINKEN einige Ideen unterbreiten. Da wären aus meiner Sicht vier Punkte zu nennen: eine stärkere, bessere und vor allem gerechtere Hochschullandschaft braucht erstens verbesserte sozialen Rahmenbedingungen für Studierende, muss zweitens ohne prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft auskommen, braucht drittens eine verbesserte Lehrqualität und benötigt viertens mehr Demokratie und Transparenz.

Diese Koalition will und wird die Hochschulen stärken, die Wissenschaft im Land fördern und ich lade Sie alle ein, an dieser Aufgabe teilzuhaben. In diesem Sinne danke ich für das Thema der Aktuellen Stunde.

Vielen Dank.

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