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Zur Sitzung der Enquete-Kommission 5/1 zum Thema „Treuhand“

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Zur Sitzung der Enquete-Kommission 5/1 zum Thema „Treuhand“
Im Zusammenhang mit der heutigen Sitzung der Enquete-Kommission 5/1 zum Thema „Treuhand“ erklärt das Mitglied der Enquete-Kommission Peer Jürgens:
Die Arbeit der Treuhandanstalt ist deutlich umstritten. Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE war ihr Agieren weder erfolgreich noch alternativlos. Bis heute ist ihr Einfluss auf die ostdeutsche Wirtschaft und den Aufholprozess nachhaltig negativ. Unstrittig ist: Der Zustand der DDR-Wirtschaft 1989 / 1990 war desolat und eine Neuordnung der Unternehmenslandschaft unumgänglich. Diese hätte jedoch mit der Sicherung der Grundsubstanz vorhandener Unternehmenspotenziale – einschließlich ihrer zum Teil hoch qualifizierten Beschäftigten – verbunden werden können und müssen.

Gleichzeitig leitete die Währungsumstellung am 1. Juli 1990 eine Transformationskrise ein, wobei der politisch gewollte Verzicht auf Übergangs- und Schutzregelungen zur Abmilderung der Wirkungen dieser Schocktherapie noch zusätzlich zur Deindustrialisierung beitrug.

Für das Land Brandenburg sieht sich die Fraktion DIE LINKE mit dem vorliegenden Gutachten „Analyse der Schlüsselentscheidungen im Bereich der Wirtschaftspolitik und ihre Wirkung auf die ökonomische Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte im Land Brandenburg“ in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Landesregierung unter Manfred Stolpe im Zeitraum der Tätigkeit der Treuhandanstalt einen eher geringen Einfluss auf die ökonomischen Grundsatzentscheidungen hatte und sich bei Konflikten gegenüber der Treuhandanstalt unterordnen musste. Entscheidungen wie die, an wen und zu welchen Konditionen privatisiert wird oder ob ein Betrieb stillgelegt oder saniert werden soll, waren weder Verhandlungsgegenstand des sogenannten „Treuhand- Wirtschaftskabinetts“ im Land noch der Beiräte bei den drei regionalen Treuhand-Niederlassungen.

Unstrittig ist auch, dass der von der Treuhand durchgesetzte Kurs der Privatisierung und Stilllegung zu einer massenhaften Entwertung ostdeutschen Humankapitals und damit auch ostdeutscher Biografien führte, der vielfach bis heute anhält. Die Tätigkeit der Treuhandanstalt und die Wirkungen der Währungsunion auf die brandenburgische Wirtschaft waren äußerst nachhaltig und zu einem großen Teil irreversibel. Sie können durch politische Entscheidungen heute nicht mehr aufgehoben, sondern nur noch gemildert werden.

Die Produktivitätslücke der Brandenburger Industrie im Vergleich zum Westen ist also nicht zuerst aus einer technisch-ökonomischen Rückständigkeit der einzelnen Betriebe zu erklären. Sie resultiert vielmehr aus Strukturunterschieden in der Gesamtheit der hiesigen Industrie. Noch immer sind umfangreiche Finanztransfers nötig und es ist bis lang keine selbsttragende Wirtschaftsentwicklung absehbar. Die Fraktion DIE LINKE erwartet deshalb, dass die Diskussion in der Enquetekommission nicht bei der Beurteilung der bisherigen Entwicklung stehen bleibt. Wichtig ist, Zukunftsvorstellungen zu entwickeln und diese in politischer Arbeit umzusetzen.