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Rede zur 2. Lesung des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz

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Rede zur 2. Lesung des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz

Wir beraten heute in 2. Lesung über das Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz. Herr Prof. Schierack, ich fürchte, Sie haben diesen Gesetzentwurf nicht verstanden. Ich rede hier nicht als glühender Verteidiger dieser Neugründung, nicht als enthusiastischer Befürworter, sondern ich rede für meine Fraktion DIE LINKE, die sich nach langen Überlegungen, nach kontroversen und intensiven Debatten entschieden hat, dieses Projekt mitzutragen.

Wir haben uns nach Abwägung der Risiken und der Chancen dafür entschieden, auch weil wir Verantwortung in diesem Land tragen. Im Kern geht es um die Frage: Was ist hochschulpolitisch der beste Weg für die Lausitz?

Diese Landesregierung will wie auch die rot-rote Koalition die Wissenschaftsregion Lausitz erhalten und für die Zukunft sichern. Deswegen ist dieses Neugründungsgesetz auch kein Gesetz gegen die Lausitz, Herr Prof. Schierack, sondern es ist ein Gesetz zur Sicherung des Wissenschaftsstandorts Lausitz. Es gab unterschiedliche Vorschläge, wie Cottbus und Senftenberg als Wissenschaftsstandorte zu erhalten sind. Für die Linke war am Schluss der gangbarste Weg der, den die Ministerin vorgeschlagen hat. Darum tragen wir diesen Vorschlag mit, wohl wissend, dass es gewisse Risiken gibt und dass dieser Vorschlag auch in der Perspektive Risiken in sich birgt. Die Linke hat hier keine einheitliche Meinung – ich will es klar sagen -, aber das gehört zu einer pluralen demokratischen Partei dazu. Die Skeptiker haben ihre Gründe, die wir auch akzeptieren müssen. Aber eines will ich zu der Debatte dann doch sagen: Ich kann die Kritik und auch den Ärger der Gegner dieser Neugründung verstehen. Und doch halte ich es für falsch, denjenigen, die für die Neugründung sind, vorzuwerfen, sie hätten keine Ahnung von dem, worüber sie reden. Das ist implizit passiert. Das halte ich einfach für falsch.

Anstoß zur Debatte war der Bericht der Emmermann-Kommission. Aber die zentralen Herausforderungen, vor denen wir im Hochschulbereich stehen, sind nicht erst durch diesen Bericht aufgedeckt worden, sie liegen schon länger auf der Hand. Im Kern steht die Hochschullandschaft in Brandenburg vor mindestens vier großen Herausforderungen: erstens der demografische Wandel, zweitens die finanziellen Rahmenbedingungen, drittens der Prozess von Bologna und viertens die Profilierung der Brandenburger Hochschulen im gesamtdeutschen Kontext. Ich möchte zu diesen vier Punkten kurz einiges ausführen.

Erstens, der demografische Wandel: Wir haben nicht nur mit einer abnehmenden Zahl von Schülerinnen und Schülern in unserem Land zu kämpfen – speziell in der Lausitz beträgt der Rückgang sogar um die 50 % -, sondern auch damit, dass wir immer weniger potenzielle Studienanfängerinnen und -anfänger haben werden. Darum ist es unsere Aufgabe, um künftige Studierende zu werben, und zwar nicht nur bei denen, die einen traditionellen Hochschulzugang haben, sondern auch bei denen, die traditionell nicht an die Hochschulen kommen. Wir werden eine größere Diversität an den Hochschulen erleben. Der demografische Wandel ist eine Herausforderung, der sich der ganze öffentliche Bereich stellen muss, auch die Hochschulen. Deswegen halte ich es für richtig und wichtig, dass wir auch als Landesregierung, als Koalition, als Land auf diese Entwicklung reagieren.

Zweitens, die finanziellen Rahmenbedingungen: Das werden Sie aus der Haushaltsdebatte kennen. Wir haben einen Schuldenstand von knapp 20 Milliarden Euro, und ab 2019 wirkt die Schuldenbremse. Bis dahin wird im Landeshaushalt etwa eine Milliarde Euro weniger zur Verfügung stehen. Es ist daher nicht zu erwarten, dass wir einen massiven Zuwachs im Hochschulbereich haben werden. Wir konnten hier in den letzten Jahren dank der Prioritätensetzung der Koalition auf Wissenschaft und Bildung 50 Millionen Euro mehr einsetzen. Auch dank dieser Koalition wird es für die Hochschulen mit den Hochschulverträgen, die wir ab 2014 für fünf Jahre abschließen, langfristig Planungssicherheit geben, auch in finanzieller Hinsicht. Dennoch werden im Hochschulbereich keine großen Sprünge möglich sein, zumindest was die Finanzierung angeht. Auch darauf müssen wir reagieren.

Drittens: Die Reform von Bologna ist an sich ein alter Hut an den Hochschulen. Dennoch gibt es Auswirkungen, die bis heute und auch noch in den nächsten Jahren zu spüren sind. Das betrifft vor allem die Angleichung von Fachhochschulen und Universitäten. Die Abschlüsse sind formal gleichgestellt. Formal ist die Durchlässigkeit erhöht worden. Dennoch gibt es gerade in der Praxis noch viele Hürden in diesem Bereich. Die klare Trennung zwischen Fachhochschule und Universität wird verwischt. Insoweit hat aus meiner Sicht auch der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Herr Kempen, nicht Recht mit seinen Aussagen in dem heute veröffentlichten Interview. Ich glaube, dass sich diese Trennung, die noch vorhanden ist, immer stärker verwischt. Die Unis werden praxisorientierter, die Fachhochschulen forschungsstärker. Gerade in Brandenburg haben wir sehr forschungsstarke Fachhochschulen. Auf diese Annäherung müssen wir uns einstellen.

Viertens, die Profilierung der Hochschulen: Ich glaube, nach 20 Jahren war es richtig, zu evaluieren. Herr Buttler hat in seinem Bericht Empfehlungen vorgelegt. Wir haben im Ausschuss in der letzten Woche zum ersten Mal den Hochschulentwicklungsplan diskutiert, wobei im Übrigen auch einige Kritikpunkte aus der BTU aufgegriffen und noch einmal Erwartungen des Landes an die neue Universität formuliert worden sind. Die Debatte zur Profilschärfung hat an vielen Hochschulen stattgefunden. Aber gerade in der Lausitz ist das nicht ausreichend geschehen. Es gibt zwar einzelne Kooperationen, das ist richtig, aber es fehlt an der strategischen, einheitlichen Debatte zu der Frage: Wie wollen wir die Hochschulregion Lausitz mit einem Profil aufstellen? Diese Debatte hat nicht stattgefunden, und deswegen ist es richtig, dass die Landesregierung darauf reagiert.

Die allgemeinen Befunde, die ich gerade genannt habe, und die konkreten Hinweise der Emmermann-Kommission ergaben das Bild, dass die Landesregierung in der Verantwortung war, darauf zu reagieren und etwas zu tun. Der Kern des Vorschlags der Ministerin ist die Bildung eines Dachs, einer Leitung für die beiden Einrichtungen. Es ist richtig, für diese eine Wissenschaftsregion – mit dem einen Profil, das wir schaffen wollen -, auch eine Leitung zu schaffen. Diese Grundannahme teilt die Linke. Wir hätten den Prozess aber anders organisiert; das will ich hier klar sagen. Den Vorschlag zur Neuordnung parallel mit der Vorstellung des Berichts zu unterbreiten war aus unserer Sicht falsch. Die Beteiligung der Betroffenen an beiden Hochschulen hat nicht in dem von uns gewünschten Maß stattgefunden. Ob man die Neugründung nun befürwortet oder nicht, schon die Art der Kommunikation hat Vertrauen verspielt. Das ist eine Hypothek, mit der die neue Universität startet. Es bleiben jetzt fünf Monate, um dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Darum auch meine Bitte, Frau Ministerin, an Sie, diesen Wunsch ernst zu nehmen und seitens der Landesregierung wirklich zu versuchen, dieses Vertrauen in den nächsten Wochen und Monaten zurückzugewinnen. Die Linke hätte sich auch einen anderen Weg für diese gemeinsame Universität vorstellen können. Langfristig sind Projekte immer erfolgreicher, wenn sie durch gemeinsames Agieren zusammen von unten wachsen. Dafür waren aber – das haben wir diskutiert – die institutionellen Rahmenbedingungen leider nicht gegeben. Die Linke hat in diesem Prozess noch Verbesserungen im Sinne der Betroffenen erreicht. Beispielhaft nenne ich die tarifliche Vereinbarung mit der Gewerkschaft, die Aufstockung der Haushaltsmittel zur Deckung personeller Mehrkosten, die Aufwertung der Universität durch neue Studiengänge im Bereich Pflege und Gesundheit mit entsprechender Ausstattung, finanzielle Zuwächse für neue Einrichtungen, Zusagen zur Sicherung der Studienqualität und der drei Standorte, Veränderungen hin zu mehr Mitbestimmung und mehr Kooperation, die Einräumung von mehr Zeit zur Neuordnung sowie die Aufwertung der Fachhochschulteile.

Trotz der im Prozess erreichten Verbesserungen und trotz der Zusagen der Landesregierung bleiben Risiken. Drei möchte ich nennen: Erstens. Es besteht die Gefahr, dass sich gute, fachlich hervorragende Forscherinnen und Forscher aus der Hochschulregion Lausitz wegbewegen. Das Risiko des „Brain Drains“ sehen wir durchaus; wir müssen versuchen, das zu verhindern. Zweitens kommt es möglicherweise dazu, dass Schülerinnen und Schüler nicht ganz genau wissen, was sie an der neuen Universität studieren können, was deren Profil ausmacht. Insofern steht die Landespolitik vor der Herausforderung, zu werben und klarzumachen, was die neue Universität kann. Drittens – auch davon werden wir wahrscheinlich nicht verschont bleiben – wird es in der neuen Hochschule interne Auseinandersetzungen geben. All diese Risiken sehen wir klar. Angesichts dessen muss einerseits die Politik einen langen Atem beweisen und die Neugründung befördern. Andererseits muss die neue Universität mit ihren Beschäftigten zueinanderfinden. Daher habe ich an die Betroffenen vor Ort die Bitte, den Prozess jetzt konstruktiv mitzugestalten; wir als Politik und speziell wir als Linke sehen uns in der Verantwortung, ihn kritisch zu begleiten. Das Ganze wird nur gelingen, wenn das Engagement der Professorinnen und Professoren, der Studierenden sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die gemeinsame Universität aufrechterhalten bleibt. Trotz bekannter Risiken überwiegen für die Linke die Chancen in diesem Prozess. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Ich glaube, wir können damit die Zukunft der Lausitz als Wissenschaftsregion langfristig sichern.

Danke schön.