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Rede zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage „Situation der befristet Beschäftigten an den Brandenburger Hochschulen“

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Rede zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage „Situation der befristet Beschäftigten an den Brandenburger Hochschulen“

Das Thema prekäre Beschäftigung an den Hochschulen und hier vor allem das Thema der befristet Beschäftigten ist kein Thema, das jetzt erst ganz aktuell und neu ist. Es ist leider ein Thema, das es seit Jahren gibt. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft tourt seit Jahren mit ihrem Templiner Manifest durch Deutschland und Europa, um genau auf dieses Problem hinzuweisen.
Liebe Frau von Halem, deswegen ist die prekäre Beschäftigung auch von befristet Beschäftigten nicht erst hier in Brandenburg ausgebrochen, seitdem es Rot-Rot gibt, es ist ein andauerndes Problem, das es schon seit über zehn Jahren in Deutschland gibt. Das ist eine bundesweit dramatische Entwicklung. Ich habe mir dazu einige Zahlen herausgesucht, und zwar im Vergleich der Jahre von 1997 und 2011, also etwa die 14 Jahre im Vergleich. In diesem Zeitraum hat die Zahl der Studierenden um 30 % zugenommen, es gibt also seit dem etwa ein Drittel mehr Studierende. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Professorinnen und Professoren aber nur um 10 % gestiegen. Die Zahl der Lehrbeauftragten hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt und die Zahl der wissenschaftlichen Hilfskräfte ist um 90 % angewachsen. Das heißt, während sich die Zahl der Professorinnen und Professoren, also der hauptberuflich fest angestellten Menschen an der Hochschule, sich nur geringfügig vergrößert hat, ist vor allem die Zahl der prekär und a-typisch Beschäftigten gestiegen. Ich finde, das ist eine wirklich dramatische Entwicklung.
Die zweite dramatische Entwicklung ist, dass auch die Befristung enorm zugenommen hat. War sie im Jahr 1997 noch im Verhältnis 1:4, also auf einen Festangestellten kommen vier befristete Beschäftigte, ist dieses Verhältnis im Jahr 2011 auf 1:9 angewachsen. Das ist eine massive Zunahme von befristeten Beschäftigungsvehhältnissen. Die Laufzeit dieser Befristungen liegt in über 50 % der Fälle unter einem Jahr. Das sind dramatische Entwicklungen, die wir hier im Wissenschaftsbereich festzustellen haben.
Auslöser für diese Entwicklung, darauf muss ich ganz explizit abzielen, ist das Wissenschaftsvertragsgesetz, das im Jahr 2007 beschlossen worden ist. Das hat die dramatische Entwicklung massiv beschleunigt. Wir haben dies, insofern bin ich froh, dass die Sozialdemokraten, die das damals auf Bundesebene mitbeschlossen haben, lernfähig sind. Wir haben in dieser Legislaturperiode des Bundestages versucht, von linker und von grüner Seite und vonseiten der SPD-Fraktion, dieses Gesetz zu verbessern. Das ist jedoch an der schwarz-gelben Bundesregierung gescheitert. Ich hoffe, dass wir dies im Rahmen der Verhandlungen auf Bundesebene bald erreichen können.
Auch an Brandenburg ist diese Entwicklung nicht vorbeigegangen. Ich stütze mich hier auf einige Zahlen von ver.di, die die Jahre 2005 und 2011 vergleichen. Die Befristung hat in Brandenburg von 73 auf 83 % zugenommen, die Teilzeit ist von 40 auf 55 % gestiegen und auch der Anteil der nebenberuflich Beschäftigten ist deutlich angewachsen. Das sind insgesamt wirklich bedenkenswerte Entwicklungen.
Die Große Anfrage, die die Grünen gestellt haben, liefert hier auch noch einige ganz gute Zahlen. Ich finde es gut, dass die Zahl der akademisch Beschäftigten bei etwa 2 700 im Land Brandenburg liegt. Das ist eine stolze, eine gute Zahl. Das sind junge und ältere Menschen, die an der Hochschule Wissenschaft betreiben. Ich finde es schön, dass sich eine so große Anzahl an Menschen wissenschaftlich betätigt. Der Altersdurchschnitt ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Der Anteil akademisch Beschäftigter unter 40 Jahren hat in den letzten fünf Jahren noch einmal deutlich zugenommen. Ich finde, das ist ein positives Signal.
Aber, die Große Anfrage zeigt auch einige deutliche Probleme, vor denen wir hier in Brandenburg stehen: Das sind die hohe Zahl der Befristungen, der hohe Anteil an drittmittelfinanzierten Beschäftigungsverhältnissen, der hohe Anteil an Teilzeit, vor allem, weil die Frauen häufiger an den Hochschulen in Teilzeit arbeiten als die Männer. Das ist auch eine sehr bedenkliche Entwicklung. Und, darauf ist Frau von Halem eingegangen, die Frage der Arbeitsverträge der studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte, vor allem die der Bezahlung, die an der Fachhochschule Brandenburg und an der Technischen Hochschule in Wildau bei unter 7 Euro liegt. Mit zu berücksichtigen ist auch die Dauer der Verträge, die oft auch weniger als ein Semester beträgt. Hier müssen wir unbedingt im Rahmen der Hochschul-Gesetzesnovelle einige Dinge klären.
Eine Sache möchte ich gerne korrigieren, liebe Frau von Halem: Lehrbeauftragte sind per Gesetz nebenberuflich Beschäftigte. Sie sollen eigentlich ein eigenes Beschäftigungsverhältnis haben. Sie müssen nicht auf das, was sie dort im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit verdienen, angewiesen sein. Es ist eine Verdrehung des Lehrbeauftragten in seiner Funktion, dass es Menschen geben muss, die versuchen, sich über die Lehrverträge ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist falsch. Und genau deswegen werden wir das im Rahmen der Hochschul-Gesetzesnovelle aufgreifen.
Ich meine, wir brauchen in drei verschiedenen Richtungen Lösungen, um prekäre Beschäftigung im Land Brandenburg in der Wissenschaft zurückzudrängen: Erstens. Auf Bundesebene brauchen wir dringend eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Das ist die wichtigste Aufgabe. Zweitens. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie die anderen Forschungseinrichtungen sollten sich meiner Meinung nach an einen Kodex für gute Arbeit halten. Es gibt im Herrschinger Kodex und von der GEW sehr gute Vorschläge. Weiterhin geht das in Richtung der Hochschule. Ich finde den Beschluss, den die Universität Potsdam gefasst hat, mit einer Selbstbindung, was gute Arbeit angeht, sehr gut. Ich rufe hier die Hochschulen auf, sich ähnliche Sachen zunutze zu machen. Natürlich haben wir auch auf Landeseben einige Dinge zu klären. Das ist zum Beispiel die Frage Tenure-Track für Postdoc für Juniorprofessorinnen, für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das müssen wir noch deutlich ausbauen. Weiterhin gibt es die Frage des studentischen Tarifvertrages, auch das ist wichtig.
Bei allen drei Sachen – wenn Sie die Antwort richtig gelesen haben, Frau von Halem – werden Sie festgestellt haben, dass die Landesregierung hier sehr wohl Offenheit zeigt, was Tenure-Track, was Tarifvertrag und auch die Mindestvertragslaufzeiten angeht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir im Laufe der Beratungen des Hochschulgesetzes hier gute Lösungen hinbekommen, um auch die prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft zurückzudrängen. – Danke schön.