← Zurück zur Artikelauswahl

Was einen Rabbiner ausmacht und was nicht

Print Friendly, PDF & Email

Es war ein großer Erfolg für das Land Brandenburg, als 2013 die „School of Jewish Theology“ an der Universität Potsdam gegründet und damit erstmals wieder universitäre Theologie des Judentums in Deutschland nach 1945 unterrichtet wurde. Das Abraham Geiger Kolleg ist als Institut im Umfeld der Universität Potsdam schon länger eine der wenigen Einrichtungen in Europa, die liberale und konservative Rabbiner*innen ausbildet. Diese für Brandenburg herausragenden Einrichtungen sind wichtige Institutionen für die Wiederbelebung jüdischen Lebens in Deutschland.

Und dennoch steht das Kolleg seit einigen Woche in heftiger Kritik. Es hat einen Rabbiner-Studenten, Armin Langer, von der Liste der Studierenden des Kollegs gestrichen.

Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung um Äußerungen des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden Deutschland, Josef Schuster im Herbst 2015. Armin Langer hatte Schuster in einem Gastkommentar in der taz für dessen Äußerungen kritisiert und vorgeschlagen, den Zentralrat in „Zentralrat rassistischer Juden“ umzubenennen. Diese Wortwahl war nicht nur dem Zentralrat und der Rabbinerkonferenz zu heftig, auch das Kolleg entschied zu daher zu dem entsprechenden Schritt. Seitdem wird dem Kolleg Zensur vorgeworfen und übertriebene Härte im Umgang mit einem hoch engagierten Studenten.

 

Worum geht es im Kern: Entscheidet sich jemand, Rabbinerin oder Rabbiner zu werden und möchte diese Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg absolvieren, muss sie/er dafür einen Ausbildungsvertrag unterschreiben, in dem viele Rechte und Pflichten geregelt sind. Verstößt man (sogar mehrfach) gegen diesen Vertrag, kann (und ggf. muss) der Vertrag gelöst werden. Das ist in der Wirtschaft Gang und Gäbe, kein Unternehmen behält einen Azubi, der/die das Unternehmen schädigt oder sich nicht an Absprachen hält.

Ein Rabbiner hat von seinem Tätigkeitsprofil her bestimmte Aufgaben und auch ein bestimmtes Verhalten. Weder Esra noch Jochanan ben Sakkai als zwei der biblisch früh erwähnten Thora-Gelehrten waren Lautsprecher. Ein Rabbiner sollte als Richter in seiner Gemeinde, als Berater, Seelsorger und geistiger Beistand kein zuspitzender, kein polemisierender Charakter sein. Es geht darum, mit einer entsprechenden Würde, Zurückhaltung und maßvoll aufzutreten. Dabei geht es nicht um Zurückhaltung bei inhaltlichen Positionen – ein Rabbiner kann und soll auch eine Meinung haben und diese auch kund tun. Die Thora und noch mehr der Talmud ist voll von rabbinischem Streit und das ist gut so. Aber selten fallen die Rabbinen dort durch Beleidigungen oder zugespitzte Polemiken auf. Das Wort ist im Judentum wichtig und darum kommt es eben auf die Wortwahl an.

 

Man kann, ja man muss Josef Schuster für seine Positionen, wie er sie in der Welt verkündet hat, kritisieren. Obergrenzen sind keine Form von humanistischer Flüchtlingspolitik und man male sich nur aus, was in den 1930er Jahren gewesen wären, hätten die Nachbarstaaten Hitler-Deutschlands Obergrenzen für emigrierende Juden gehabt. Auch ist Antisemitismus kein ethnisches Problem – Antisemitismus ist ein fest in der Gesellschaft verankertes Problem und das betrifft nicht nur Menschen aus arabischen Ländern. Josef Schuster hat Unrecht mit einiger seiner Positionen, das kann man klar und deutlich sagen. Aber kann, sollte man ihn deswegen als Rassisten beschimpfen? Mehr noch, kann man deshalb den gesamten Zentralrat verunglimpfen? Kann man gar in den Raum stellen, der Zentralrat sollte künftig nur noch die rassistischen Juden in Deutschland vertreten (die es ja dann offenbar geben muss)? Nein, hier ist Armin Langer zu weit gegangen – und er wusste, vor welchem Kontext er seinen Kommentar schrieb. Unabhängig davon, ob er Rabbinerstudent ist oder nicht – solche Beleidigungen sind falsch. Erschwerend kommt hinzu, dass er sich damit soweit aus dem Fenster gelehnt hat, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen der Rabbinerkonferenz, dem Zentralrat als Vertretung der Jüdischen Gemeinden in Deutschland und seiner Ausbildungsstätte massiv geschädigt wurde.

 

In dem Fall ist es berechtigt, sich zu dem Schritt zu entschließen, den das Kolleg gewählt hat. In der Ausbildung zum Pfarrer legt die Evangelische Kirche ähnliche Konsequenzen für „unwürdiges Verhalten“ der Vikar*innen fest. Die Position eines Rabbiner ist eben nicht die eines Marktschreiers. Armin Langer kann und soll weiterhin ein engagierter Student sein. Er soll weiterhin jüdische Theologie studieren (die Universität Potsdam wird keinerlei Konsequenzen ziehen), er kann sich auch gerne weiterhin in die Öffentlichkeit begeben – wenn ihm danach beliebt auch gerne polemisch oder beleidigend. All diese Freiheiten hat er. Aber wenn er meint, er könne das auch alles als angehender Rabbiner, dann hat er die künftige Rolle dieser Funktion nicht verstanden – und dann zweifelt das Kolleg zu Recht an seiner Eignung.

 

Die Häme, die derweil über das Kolleg verschüttet wurde – teilweise durch Presseartikel unter Beteiligung von Herrn Lange – zeugt von wenig Verständnis für das feine Konstrukt religiöser Institutionen. Weder das Abraham Geiger Kolleg noch die Rabbinerkonferenz wollen „linientreue“ Rabbiner*innen ausbilden. Aber ein Rabbiner – zumal in Deutschland – verkörpert mehr als nur einen Gelehrten, Richter, Ratgeber für eine Gemeinde. Er steht für das Judentum in der Öffentlichkeit. Und daher kann und muss sehr wohl darüber gewacht werden, ob Studierenden die nötige Eignung für ein solches Amt mitbringen. Armin Langer mag ein guter Theologe, ein guter Mittler zwischen Judentum und Islam sein – ein guter Rabbiner scheint er nicht zu werden. Daher war die Entscheidung des Kollegs berechtigt.

 

3 Gedanken zu “Was einen Rabbiner ausmacht und was nicht

  1. Ich meine Herr Jürgens irrt in seinem letzten Satz. Ob die Entscheidung des AGC richtig war, weiß niemand und ich behaupte, dass dass das auch niemand objektiv beurteilen kann – genau wie die schon fast freche Feststellung, ein guter Rabbiner scheine er (Armin Langer) nicht zu werden. Bis man Armin Langer nicht die Chance gegeben hat, sich als Rabbiner einen Namen zu schaffen, bleibt es spekulativ. Woher nimmt ein linker Politiker (die sich in Sachen Israel und Judentum bisher eher daneben benommen haben) die Kompetenz, eine solche Entscheidung gutzuheißen? Das ist mal nicht-jüdische Chuzpe.

    Gefällt mir · Antworten · 30 Min

    ..

    Ich meine Sie irren im letzten Satz. Ob die Entscheidung des AGC richtig war, weiß niemand und ich behaupte, dass das auch niemand objektiv beurteilen kann – genau wie die schon fast freche Feststellung, ein guter Rabbiner scheine er (Armin Langer) nicht zu werden. Bis man Armin Langer nicht die Chance gegeben hat, sich als Rabbiner einen Namen zu schaffen, bleibt es spekulativ.
    Woher nimmt ein linker Politiker (die sich in Sachen Israel und Judentum bisher eher daneben benommen haben) die Kompetenz, eine solche Entscheidung gutzuheißen? Das ist mal nicht-jüdische Chuzpe.
    Insbesondere, nachdem Rabbiner Rothschild heute in einem taz-Interview geäußert hat, dass Armin Langer in Wien als Praktikant eine ganz gute Figur gemacht habe.
    Herr Jürgens, auch wenn Sie als Nichtjude an jüdischen Hohen Feiertagen im Landtag eine Kippa tragen und den Shabbat halten, berechtigt Sie das nicht, innerjüdische Dinge beurteilen zu wollen.

    • @Irith Yael: Ich weiß nicht, ob Herr Langer ein guter Rabbiner wäre oder nicht – ich habe geschrieben, er scheint mir kein guter zu werden. Warum ich das denke, habe ich dargelegt. Und ich maße mir durchaus an, auch „innerjüdische Dinge“ beurteilen zu können und zu dürfen. Aber woher wollen Sie wissen, dass ich mich in Sachen Israel und Judentum bisher eher daneben benommen habe?

Schreibe einen Kommentar zu Peer Jürgens Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert