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„Kenia“ bleibt bildungspolitisch Entwicklungsland

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Vor einer knappen Woche haben CDU, SPD und Grüne in Sachsen-Anhalt auf Parteitagen entscheiden, den ausgehandelten Koalitionsvertrag anzunehmen und damit den Weg frei zu machen für die erste „Kenia-Koalition“ in Deutschland. Auf den ersten Blick erscheint diese Kooperation etwas eigenartig, auch wenn natürlich prinzipiell alle demokratischen Parteien koalitionsfähig sein sollten. Aber gerade im Bereich Bildung, Kultur und Wissenschaft liegen programmatisch z.T. Welten zwischen den drei Parteien. Darum lohnt ein genauerer Blick auf die Verabredungen von Schwarz-Rot-Grün im Koalitionsvertrag in genau diesen Bereichen.

Im Bildungsbereich ist eine der Kernaussagen gleich zu Beginn des Kapitels zu finden: „Auf wesentliche Strukturveränderungen im Schulwesen wird verzichtet.“ Damit wird es offenbar bis 2021 leider keine notwendigen Reformen im Bildungswesen Sachsen-Anhalts geben. Herausforderungen wie ein wirklich inklusives, durchlässiges, demokratisches  Schulsystem oder neue pädagogische Innovationen bleiben damit wohl aus.

Die Koalition will 3.500 bis 4.000 neue Lehrkräfte im Rahmen der Wahlperiode einstellen – eine Zahl, die sicherlich nicht ausreicht. Schon allein für eine angemessene Unterrichtsversorgung, Angebote im Ganztag, Gemeinschaftsschule etc. werden mehr Lehrkräfte gebraucht – von den Anforderungen an die Integration von Flüchtlingskindern ganz zu schweigen. Auch personell setzt Schwarz-Rot-Grün in der Bildung eher auf Stillstand. Immerhin hat man erkannt, dass die Neueinstellungen ohne Seiteneinsteiger*innen nicht umsetzbar sein werden und auch eine Erweiterung der Studien-Kapazitäten nötig sind. Wobei die Ansage, dass dies nur „kurzfristig“ passieren soll, schon wieder erste Zweifel aufkommen lässt.

Wie SPD und Grüne ein Papier aushandeln konnten, in dem eine „klare Leistungsorientierung des Schulwesens“ als ein Maßstab von Schulpolitik benannt wird – und eben nicht Chancengerechtigkeit oder Persönlichkeitsentfaltung oder Selbstbestimmung – das ist schon unerklärlich. Immerhin sind vereinzelt positive Ansätze zu erkennen wie beispielsweise beim Konzept für Multiprofessionalität bei der Zusammenarbeit von pädagogischem Personal und der geplanten Verbesserung bei Medienbildung und digitaler Bildung.

Die politisch dringend gebotene Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wird leider in Sachsen-Anhalt nicht stattfinden. Inklusion soll lediglich weiterentwickelt werden – eine klare positive Ansage sieht anders aus, Inklusionspädagogik im Lehramt soll es nicht geben. Ebenso kritikwürdig ist das Vorhaben eines „schulischen Bildungsmanagements“ .

Aus linker Perspektive gibt es zudem keine Aussagen zur Demokratisierung der Schulen, keine Aussage zu Gemeinschaftsschulen oder einer besseren Durchlässigkeit.

 

Im Kulturbereich scheint angesichts der vielen „wird unterstützt“, „wird fortgesetzt“, „wird gesichert“ auch eher Stillstand zu herrschen. Es gibt wenig neue Impulse, sieht man mal von dem „Jubiläum der 1.100. Wiederkehr der Gründung des Ersten Deutschen Reiches“ ab. Immerhin will man eine Strategie zur Entwicklung der Museumslandschaft erarbeiten. Aber in welche Richtung z.B. die Prüfung des Landesanteils der Musikschulförderung gehen soll, bleibt offen. Es fehlen Aussagen zur Rücknahme der kulturellen Kürzungen, zur Kulturellen Bildung oder zum Zugang zu kulturellen Angeboten im ganzen Land. Kleiner Lichtblicke sind immerhin die Zusage zur Unterstützung des Synagogenbaus in Magdeburg und einer Initiative für Kultur als Staatsziel im Grundgesetz. Aber ansonsten schöpft Schwarz-Rot-Grün leider nicht das Potential aus, dass Kunst und Kultur in Sachsen-Anhalt bieten.

 

Auch bei der Wissenschaft sucht man vergebens nach progressiven Punkten. Zwar soll eine Hochschulgesetznovelle mit einigen Verbesserungen kommen, aber es fehlen Zusagen für „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ oder für eine Demokratisierung der Hochschulen oder für mehr Familienfreundlichkeit oder für Maßnahmen für friedliche Hochschulen. Allein die Prüfung der Abschaffung der Langzeitstudiengebühren ist keinerlei Fortschritt. Immerhin gibt es – nach dem Sparkurs der letzten Jahre – die Zusage, künftig Tarifsteigerung vollständig vom Land zu tragen. Auch sollen die Mittel der Bafög-Millionen an die Hochschulen gehen. Leider bleibt gerade für die Studierenden nichts übrig außer einem Bekenntnis zu den Studentenwerken – keine Aussage zum Ausbau des studentischen Wohnens oder zu einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte.

 

Die Kenia-Koalition bleibt leider bei Wissenschaft, Bildung und Kultur eine Koalition der kleinsten Kompromisse. Ein innovatives Land für Bildung und Forschung wird Sachsen-Anhalt unter dieser Regierung leider nicht. Das ist schade, das haben die Menschen nicht verdient.

2 Gedanken zu “„Kenia“ bleibt bildungspolitisch Entwicklungsland

  1. Hallo,

    interessante und informative Beiträge hier, super. Habe längere Zeit als stiller Gast nur mitgelesen und mich jetzt mal angemeldet.
    Ich würde mich freuen, wenn ihr bei Gelegenheit auch einmal auf meinem Blog zum Thema Textilreinigung vorbeischauen würdet.

    Alles Liebe

    Herbert

    Rotweinflecken

  2. Hallo,

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    Ich würde mich freuen, wenn ihr bei Gelegenheit auch einmal auf meinem Blog zum Thema Textilreinigung vorbeischauen würdet.

    Alles Liebe

    Herbert

    Ketchupflecken

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