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Israel braucht Solidarität und keine Polemik

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Der Parteivorstand von DIE LINKE hat am vergangenen Wochenende einen Beschluss zum Thema Gaza und Israel gefasst. Schon bei der Überschrift reibt man sich verwundert die Augen: „Für ein Ende der Besatzung und der Blockade von Gaza!“ Ja, der Beschluss ist von 2018 – und der Parteivorstand scheint sich nicht bewusst zu sein, dass mit dem Abzug des israelischen Militärs im September 2005 die Kontrolle von Gaza nicht mehr bei Israel liegt und daher von einer Besatzung seit über 10 Jahre keine Rede mehr sein kann.

Diese Zeit hat die Hamas in Gaza genutzt, um ein wahrhaftige islamistische Diktatur zu etablieren. Frauen werden unterdrückt, Alkohol und Unterhaltung wie Kino oder laute Musik sind verboten, Kritik oder Opposition am Kurs der Hamas ist genauso unmöglich wie eine Zusammenarbeit mit der israelischen Seite (worauf die Todesstrafe steht). Anti-israelische und antisemitische Propaganda in den Hamas-eigenen Medien ist genauso Gang und Gäbe wie in den mit internationalen Hilfsgeldern unterstützen Schulen (siehe Blog hierzu). Hinzu kommen Veruntreuung von Millionen von Fördermitteln und die gezielte Nicht-Verwendung von Geldern und Hilfsgütern für notwendige Infrastruktur – sondern für Tunnel und militärische Anlagen. Die Hamas schadet der Bevölkerung in Gaza – wo findet sich eine entsprechende Aussage dazu in dem Beschluss?

Die Forderung nach dem Ende der Blockade irritiert genauso – aus zweierlei Gründen. Zum Einen kann von einer Blockade keine Rede sein – eine limitierte Zufuhr trifft es eher. Seit 2014 sind alleine 3 Mio. Tonnen Baumaterial offiziell in nach Gaza geliefert worden – von Wasser, Strom oder Medikamenten ganz zu schweigen. Die UN hat sogar eine ausführliche Internetseite eingerichtet, die detailliert Projekte und Lieferungen auflistet. Ja, Israel unterbindet einen freien Warenhandel – aber mit Recht. Wie jetzt schon – durch Missbrauch oder Tunnel – wichtige Güter für den Kampf gegen Israel genutzt werden zeigt, wie gefährlich es wäre, würde man alle Arten von Gütern unbegrenzt nach Gaza lassen. Und wenn die Hamas den von Israel gelieferten Strom auch mal bezahlen würde, käme es auch nicht zu so häufigen Stromausfällen. Ein genaueres Hinsehen zeigt, dass es einen enormen Warenstrom in großer Vielfalt nach Gaza gibt – eine Blockade – wenn es eine gäbe – sähe anders aus.

Der Beschluss verurteilt das Vorgehen der israelischen Regierung gegen die „mehrheitlich friedlichen Massenprotesten“ im Rahmen des „Großen Rückkehrmarsches“. Nun kann man darüber streiten, was „mehrheitlich“ in dem Kontext bedeutet. Und ohne Frage war das Vorgehen des Militärs nicht in allen Fällen angemessen. Aber völlig zu verschweigen, welchen Zweck die Proteste hatten und haben, welche bewaffneten Ausschreitungen es seitens der Palästinenser*innen gab und wie z.B. mit Hilfe von Brand-Drachen hunderte Hektar Ackerland und Wald auf israelischer Seite in Flammen aufgingen, ist schon sehr einseitig. Die israelische Botschaft in Deutschland hat dazu in ihrem Blog einige Beispiele aufgeführt. Fakt ist: aus Gaza gab es gezielte Angriffe auf die Grenze zu Israel, auf Soldat*innen und Zivilist*innen auf israelischer Seite und diese Angreifer*innen gezielt zu bekämpfen ist nicht schön, aber zulässig und richtig. Zumal wenn man sich immer wieder vor Augen hält, dass die Zerstörung Israels das zentrale Ziel der Hamas ist, wie sie in ihrer eigenen Charta schreibt. Den von einem solchen erklärten Feind angestachelten  Demonstrant*innen begegnet man sicherlich anders als tatsächlich friedlichen Spaziergänger*innen.

Der Beschluss erkennt zudem die „Massaker“ in Gaza (durch Israel). Mehrere dutzend gezielt getötete Angreifer, die außerdem auch noch mehrheitlich Mitglieder der Hamas waren, sollen Opfer eines Massakers sein? Ein Massaker ist nach Duden „das Hinmorden einer großen Anzahl [unschuldiger, wehrloser] Menschen“ … Bewaffnete wehrlos? Gezielte Tötungen ein Gemetzel? Das trifft wohl eher auf die Messerattacken und die Bombenanschläge palästinensischer Terrorist*innen in Israel auf tatsächlich Unschuldige und Wehrlose zu! Immerhin – das soll nicht verschwiegen werden – richtet sich der Beschluss auch gegen den Raketenbeschuss aus Gaza auf Israel. Dabei darf nicht verkannt werden, dass alleine seit dem Beginn der Proteste im März diesen Jahres hunderte Raketen aus Gaza auf Israel abgeschossen wurden – viele detonierten in der Nähe von Schulen oder Kitas. Mit ein wenig Kenntnis der Fakten hätte so ein Beschluss nicht gefasst werden dürfen.

Aber Fakten scheinen bei der Debatte zu diesem Antrag offenbar ohnehin keine Rolle im Parteivorstand gespielt zu haben – jedenfalls fußt der Beschluss hoffentlich auf Unkenntnis. Wäre er eine bewusste Entscheidung in Kenntnis der realen Situation, wäre das nicht nur ein massiver anti-israelischer Akt vom obersten Gremium der Linkspartei (zwischen den Parteitagen), es wäre auch eine Absage an auf Emanzipation, Klarheit und Erkenntnis begründete Diskussionen innerhalb der Partei. Der Beschluss ist Ausdruck einer bedauerlichen, aber leider realen anti-israelischen Stimmung in der LINKEN. Man kann zum Staat Israel und seiner Politik stehen, wie man will (ein Selbstverständnis aus linker Sicht sollte aber Solidarität sein) – aber Beschlüsse zu diesem Thema derart einseitig und in Unkenntnis (oder Ignoranz) der Fakten zu fassen ist ein schlimmer Vorgang und einer linken Partei unwürdig.

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