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Schulpflicht vs. Bildungspflicht

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Es ist inzwischen ein weltweites Phänomen: die Fridays for Future, also Freitage, an denen Schüler*innen für eine bessere Klimapolitik demonstrieren. Sie machen das laut, bunt, mit berechtigten Forderungen und ja – sie machen es während der Schulzeit. Auch in Sachsen-Anhalt fand so ein Protest vergangene Woche erstmals in Magdeburg vor dem Landtag statt und es kamen fast 500 Schüler*innen. Das gefällt nicht jedem und so betont z.B. Bildungsminister Tullner, dass Schulpflicht eben Schulpflicht sei und man doch auch am Wochenende oder in den Ferien demonstrieren könne. 

Nun könnte man unterstellen, der CDU-Minister sei deswegen gegen die Freitags-Proteste, weil es dort um klimapolitische Forderungen geht, die nicht CDU-konform sind: im Kern geht es um einen möglichst frühen Ausstieg aus der Kohle. Aber selbst wenn sich der Bildungsminister tatsächlich um die Bildung der Schüler*innen sorgt – auch da kann man ihn beruhigen.
Zwar regelt §36 des Schulgesetzes in Sachsen-Anhalt die Schulpflicht in Vollzeit und damit ist das Fehlen im Unterricht während der Unterrichtszeit in der Tat ein Verstoß gegen diese Vorschrift. Nun gibt es aber im Schulgesetz auch einen §1, der quasi als zentrale Grundsätze u.a. den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule regelt. Dort heißt es z.B., die Schule sei insbesondere dazu angehalten, „die Schülerinnen und Schüler auf die Übernahme politischer und sozialer Verantwortung im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorzubereiten“ (Punkt 2) und „die Schülerinnen und Schüler zu verantwortlichem und ökologisch nachhaltigem Handeln in einer von zunehmender gegenseitiger Abhängigkeit und globalen Problemen geprägten Welt für die Bewahrung von Natur, Leben und Gesundheit zu befähigen“ (Punkt 7).

Beides ist zentraler Bildungsauftrag der Schule und wie kann beides besser umgesetzt werden, als wenn Schüler*innen sich derart intensiv und umfassend mit einem Thema beschäftigen, dass sie anschließend zivilgesellschaftliches Engagement in Form einer Kundgebung daraus ableiten? Der Protest Fridays for Future ist gelebter Bildungsauftrag von Schule und damit quasi Unterricht. Das mag man in engstirnigen Schulverwaltungsamt-Büros oder im Bildungsministerium anders sehen – aber in einer Zeit von zunehmendem Desinteresse an Politik sollten wir uns freuen, wenn junge Menschen sich um ihre Zukunft (zu Recht) Sorgen machen und etwas dagegen unternehmen. Gleiches gilt übrigens auch, sollten sich Schüler*innen für Weltfrieden einsetzen – ein Thema, dass Herrn Tullner bedauerlicherweise anscheinend noch abwegiger findet. Lasst die Schüler*innen protestieren, lasst sie politische und soziale Verantwortung übernehmen und gängelt diese zarte Pflanze an ökologischem Bewusstsein nicht durch überbürokratische Regeln.

 

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