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Einige Beispiele, was in der Lehrer*innen-Ausbildung schief läuft

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Am 3.7.2019 berichteten die Mitteldeutsche Zeitung und die Volksstimme über ein Treffen des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und des Bildungsministers Marco Tullney mit den Initiator*innen eines Volksbegehrens gegen Lehrkräftemangel. Laut beiden Zeitungen hat der Ministerpräsident bei dem Gespräch u.a. dafür plädiert, einen stärkeren Dialog mit den Universitäten bezüglich der Lehramtsausbildung und für eine Senkung der Abbruchsquote beim Lehramtsstudium zu führen.

Genau aus diesem Grund habe ich der Staatskanzlei und Herrn Haseloff einen Brief geschrieben, um als Lehramtsstudent auf einige Missstände hinzuweisen:

1. Obwohl die Lehramtsstudierenden an der Otto-von-Guericke-Universität zahlenmäßig mit die größte Studienrichtung sind, spielen sie innerhalb der Hochschule oft nur eine Randrolle. Das hat folgende Konsequenzen:

– die Studienordnungen der Lehramtsstudierenden spielen bei der Stundenplanung für die Semester nur eine untergeordnete Rolle; daher kam es in mehreren Semester zu der Situation, dass Pflichtveranstaltungen für Lehrämter für das jeweilige Semester parallel lagen; wenn das nicht nachträglich noch geändert werden konnte, erschwert das das Studium
– in zentralen Bereich fehlen für das Lehramt die entsprechenden Mittel bzw. Personal; das ist zB bei den Vorbereitungsseminaren für die Pflichtpraktika der Fall: hier wurden zahlreiche Studierende aufgrund der zu geringen Anzahl an Seminaren abgelehnt und konnten somit das für dieses Semester vorgesehene Praktikum nicht absolvieren; auch das führt wieder zu einer Verzögerung des Studiums. 
Wirklich hilfreich wäre eine Struktur, die innerhalb der Hochschule eine notwendige Aufmerksamkeit auf das Lehramt richtet – das Zentrum für Lehrerbildung ist nicht so eine Struktur. Tatsächlich wirkmächtig innerhalb einer Hochschule ist nur eine Fakultät. Wenn die Ausbildung von Lehrkräften wirklich eine zentrale Aufgabe der Universitäten ist, dann muss sich das auch in der Hochschule widerspiegeln.  

2. Das größere Problem für das Lehramt ist aber, dass wir in den Veranstaltungen in der Regel nur bei den eigentlichen Fachrichtungen „mit drin sitzen“. Das bedeutet beispielsweise, dass Lehramtsstudierende an den eigentlich für Wirtschaftswissenschaftler*innen geplanten Veranstaltungen teilnehmen und auch die entsprechende Prüfungsleistungen erbringen müssen. Das führt dazu, dass wir laut Prüfungsordnung Vorlesungen wie Finanzwissenschaften oder Logistik oder Rechnungswesen oder Handelsrecht oder oder oder auf Niveau der Wirtschaftsstudierenden belegen müssen. Das führt zu drei Problemen:

– pädagogische oder didaktische Elemente in diesen Veranstaltungen spielen absolut keine Rolle; es wäre aber hilfreich, schon so früh wie möglich nicht nur Fachkompetenz, sondern auch die entsprechende Fachdidaktik vermittelt zu bekommen; das soll im Master eine größere Rolle spielen – aber das ist deutlich zu wenig (und zu spät)
– wir bekommen in den Veranstaltungen Fachwissen vermittelt, welches selbst an Gymnasien nur in sehr begrenztem Umfang tatsächlich unterrichtet wird; nach Durchsicht der online verfügbaren Lehrpläne für Gymnasium und berufsbildende Schulen wären für die Lehramtsstudierenden kombinierte Veranstaltungen (zB Rechnungswesen statt internes und externes Rechnungswesen einzeln oder Wirtschaftsrecht statt Bürgerliches und Handelsrecht einzeln oder Wirtschaftsmathe statt Mathe 1 & 2 etc.) vom fachlichen Umfang her völlig ausreichend – zusätzlich wäre dabei dann mehr Raum für die Fachdidaktik (und eine fachliche Vertiefung wäre im Master immer noch möglich)
– der vorherige Punkt führt dazu, dass die Prüfungen für Lehramtsstudierende schlicht zu schwer sind; die Durchfallquote gerade in den sehr speziellen Wirtschaftsveranstaltungen ist sehr hoch; hinzu kommt, dass die Klausur oft das einzige Prüfungsmittel ist – dabei wäre es gerade im Sinne des Lehramts durchaus hilfreich, andere Prüfungsformen wie die Erarbeitung eines Unterrichtsentwurfes oder die didaktische Aufarbeitung eines Fachthemas anzubieten.

Beide Punkte führen zu der erwähnten Abbruchsquote von 30 – 40 Prozent. Um das hier zu betonen: ich plädiere nicht für eine generelle Erleichterung des Studiums – das Lehramt ist eine Profession, die eine fundierte akademische Ausbildung braucht. Aber bisher spielen die tatsächlichen Anforderungen im Lehramtsstudium eine zu geringe Rolle innerhalb der Hochschule. So lange wir nur ein „Anhängsel“ an den Fachdisziplinen sind und (oft zum Unmut der Professor*innen) die Hörsäle auffüllen, so lange wird sich an der Abbruchquote wenig ändern. Schlechte Studienplanung (hier spielt ja auch noch eine Rolle, dass gerade Lehramtsstudierende häufig den Standort wechseln müssen), unzureichende personelle Ausstattung, eine nicht am künftigen pädagogischen Bedarf orientierte Fachlichkeit werden weiterhin dafür sorgen, dass wie zB dieses Jahr gerade zwei Dutzend Lehrämter für die beruflichen Schulen verabschiedet werden können.      

Ich hoffe, dass diese Hinweise vielleicht zu einem Diskussionsprozess führen, bei dem nicht nur Professor*innen am Tisch sitzen. Viele von uns entscheiden sich mit Begeisterung für das Lehramt – aber die Rahmenbedingungen für das Studium sind derzeit leider nicht so, dass sich diese Begeisterung hält. Sachsen-Anhalt wird ohne umfassende Veränderungen in der Lehramtsausbildung den künftigen Bedarf mit der jetzigen Art und Weise nicht decken können. 
Darum meine Bitte: Der Ministerpräsident sollte die Lehramtsausbildung zur Chefsache machen – es braucht hier dringend Verbesserungen. 

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