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Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?

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Die Gretchenfrage nach dem Umgang mit Religion bzw. Religionsgemeinschaften wird in der LINKEN immer wieder gestellt. Ganz aktuell wird sich der Bundesparteitag Ende Mai mit der Frage befassen, da zu dem Thema zwei Anträge vorliegen, die auch schon in den Medien eine Rolle gespielt haben ( z.B. Volksstimme,  Neues Deutschland). Vor allem der ursprüngliche Antrag aus dem Landesverband Sachsen (Antragsheft 2, S. 15 ) sorgt für Wirbel. Er fordert eine konsequent laizistische Gesellschaft für Deutschland. Aber was genau würde das bedeuten?

Laizität meint die strikte Trennung von Staat und Kirche und hat seinen Ursprung in Frankreich. Dort wurde 1905 auch ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Der historische Kontext damals war der – berechtigte – Wille, den Einfluss v.a. der katholischen Kirche in Frankreich zurückzudrängen. Dieses Prinzip greift der sächsische Antrag auf und fordert nicht nur eine bewusste Distanz des Staates zu Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, sondern sogar eine „Freiheit der Religionslosigkeit“. Nun mag die Linke schon immer sehr kritisch auf Religion im Allgemeinen und auf Religionsgemeinschaften im Speziellen geschaut haben – eine in dem sächsischen Antrag geforderte Positionierung der LINKEN wäre ein falsches Signal.

 

An mehreren Stellen geht der Antrag fehl. Das beginnt zum Ersten beim Begriff selbst. Während Laizität (auch im franz. Original) zwar die Trennung von Religion und Staat meint, umfasst er gleichzeitig das Gebot der Gleichheit und des Respekts gegenüber allen Religionen. Laizismus dagegen ist ein Kampfbegriff einer antireligiösen Ideologie.

Zweitens meint der Antrag vielleicht, dass alle Religionen gleich schlecht bzw. gleich gut behandelt werden soll – im Kern ist der Antrag aber ein anti-christlicher Antrag. Gerade bei den beiden Kirchen der christlichen Konfession möchte er Dinge ändern. Er ruft dabei durchaus auch berechtigte Punkte auf und in der Tat sollte sich DIE LINKE über die Frage Arbeitsrecht und Kirchsteuer eine Position bilden. Aber so sehr der Antrag allen Religionsgemeinschaften Privilegien nehmen und vom Staat trennen will – es ist ein Antrag gegen die katholische und die evangelische Kirche.

Drittens verkennt der Antrag, was die strikte Trennung von Staat und Religion im Kern bedeuten würde. Keinerlei Denkmalförderung mehr für historische Klöster, Wandgemälde u.ä., keinerlei Zuschüsse mehr für soziale Einrichtungen der Diakonie oder anderen kirchlichen Trägern, keine Förderung mehr für dringend nötige Synagogenbauten, keine Unterstützung mehr für humanistische Verbände, keine gemeinsamen Projekte mehr von staatlichen Musikschulen und kirchlicher Musik, keine Ausbildung von Imamen oder Rabbiner*innen mehr an staatlichen Hochschulen etc. etc. Will das eine LINKE? Können wir einen solchen Kahlschlag wirklich wollen? Lasst uns über eine neutrale Position des Staates im Zusammenhang mit Kruzifixen in Gerichten oder Schulen reden, lasst uns über die Gültigkeit von Arbeitnehmer*innen-Rechte auch in Religionsgemeinschaften reden, lasst uns über vieles im Verhältnis von Staat und Religion reden – aber ein Ende aller Formen direkter und indirekter staatlichen Finanzierung der Religionsgemeinschaften würde dramatische Folgen für unsere Gesellschaft haben.

Viertens verschweigt der Antrag, dass selbst in dem laizistischen „Musterland“ Frankreich die strikte Trennung gar nicht so strikt ist. Auch in Frankreich gibt es konfessionelle Seelsorger*innen in Gefängnissen und der Armee, auch in Frankreich werden Neubauten von Gebetsstätten finanziell unterstützt, auch in Frankreich gibt es lokale staatliche Genehmigungen für besondere Tage wie Jom Kippur und auch in Frankreich werden in staatlichen Einrichtungen zunehmend auch religiöse Speisevorschriften berücksichtigt. Selbst Frankreich also hat trotz des strengen Gesetzes von 1095 eine praktikable Lösung gefunden.

Fünftens ist der Antrag aus Sachsen von einem komischen Staatsverständnis geprägt. Auch eine strikte Trennung von Staat und Religion bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem ein Verhältnis zwischen Staat und Religion bestimmen muss. Ein neutraler Staat ist keine Nötigung zum Agnostizismus, ein neutraler Staat bedeutet nicht religiöse Indifferenz. Das Grundgesetz selbst kennt weder die „Trennung“ von Staat und Kirche noch die „Neutralität“ in religiösen und weltanschaulichen Dingen. Abgeleitet wird das aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. Weimarer Reichsverfassung. Aber einen gänzlich neutralen Staat kennt das GG nicht.

Sechstens wundert man sich über einige Passagen des Antrages. Inwiefern sind Sitzanteile in den Rundfunkräten von 10% (als Beispiel RBB, NDR und SWR) für alle Religionsgemeinschaften (nicht nur die „christlichen Großkirchen“) eine Überrepräsentanz? Wie verträgt es sich mit der religiösen Neutralität und der Chancengleichheit, wenn religiöse Events doch wieder nur proportional nach der Größe der Religionsgemeinschaft im Rundfunk übertragen werden soll? Wieso wollen wir auch Erfolge wie z.B. die unter Rot-Rot in Brandenburg gelungene erste staatliche Einrichtung jüdischer Theologie nach 1945 negieren bzw. wieder abschaffen? Warum sollen gerade „große traditionelle Feiertage“ erhalten bleiben und welche sind das? Wer hält die Klagen von kirchlichen Trägern aus, wenn zwar nicht-konfessionelle private Schulen vom Staat gefördert werden, konfessionelle aber nicht mehr (Stichwort Gleichbehandlung)? Viele Fragen bleiben offen.

 

Gänzlich unberücksichtigt in der Debatte sind zudem die ohne Frage bestehenden Leistungen der Religionsgemeinschaften. Was an sozialer Fürsorge, was an Kinderbetreuung, was an gesellschaftlicher Integration von Zugewanderten, was an gesellschaftlichem Engagement z.B. gegen Nazis von Religionsgemeinschaften geleistet wurde und wird, ist aus unserem Land nicht wegzudenken. Das befreit uns nicht davor, über die Defizite, Fehlverhalten, auch Privilegien von Religionsgemeinschaften zu reden und ggf. Gesetze zu ändern. Aber in Ziel und Tonalität geht der Antrag aus Sachsen weit über das hinaus, was für unsere Gesellschaft und unsere Partei gut wäre.

 

Wir brauchen einen Dialog innerhalb der Partei, wie DIE LINKE künftig mit Religion umgehen möchte, welche Änderungen es im Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften bedarf. Daher gibt es einen alternativen Antrag zum sächsischen Antrag, der eine religionspolitische Kommission fordert. Dieser Antrag findet hoffentlich eine Mehrheit.

3 Gedanken zu “Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?

  1. Ich könnte mich für den zweiten Antrag überzeugen lassen, wenn ich das Gefühl vermittelt bekomme, dass das Anliegen damit nicht lediglich in einer Kommission bis zum St. Nimmerlein verbuddelt werden soll. Wir werden auf mittlere Sicht nicht darum herum kommen, hier Position zu beziehen. Das kann auch in Stufen erfolgen und durchaus mit für Diskussion offenen Vertretern der verschiedenen Religionsgemeinschaften – nicht nur mit den beiden Grosskirchen.

  2. Wenn Ihr die Linken in den „katholischen Bundesländern“ kaputtmachen und auch gleichzeitig eure Sympathisanten bundesweit halbieren wollt, dann müsst ihr dem sächsischen Antrag zustimmen.

    Wenn ihr aber mit Augenmaß die negativen Auswüchse und veraltetete Privilegien bekämpfen wollt und euch für die Tarifgleichheit der Beschäftigten der Kirchen einsetzt, dann habt ihr auch die Unterstützung des größtenteils der Gläubigen.

    Die Kirchen und Religionsgemeinschaften verbreiten Ethik, die auch angenommen wird. Auch aus diesem Grund ist eine strikte Trennung kontraproduktiv.

  3. Eine Trennung zwischen Kirche und Staat sollte es geben, Die“ Ewigkeitsform“das der Staat bis zum Sanktniemerleinstag für die Güter zahlt entspricht nicht der modernen Staatsform. einer Demokratie.

    Der Religionsunterricht hat nichts in der Schule zu suchen wenn Religion gelehrt werden soll dann in kirchlichen Räumen und in der Schule der Unterricht der alle Religionen beinhaltet Ehtik. An kirchlichen Schulen die für alle offen sein sollen dürfen auch die Symbole hängen an staatlichen sollten sie nicht sein.

    Die Jugendweihe findet in einem Alter statt wo die jungen Leute schon entscheiden können ja oder nein ,die Konfession sollte auch in dem Alter stattfinden.

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